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"Der Mensch ist Musik. Wir bestehen aus Rhythmen, Klängen und Melodien," so Gertraud Berka-Schmid, praktische Ärztin, Psychotherapeutin und Gesangsprofessorin an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.
"Ob es das Herz, die Hormone, unsere Wach- und Schlafphasen oder das Gangbild betrifft, wir bestehen aus biologischen Rhythmen." Der Wunsch zu singen, ist uns damit quasi in die Wiege gelegt. Bei vielen Naturvölkern ist es ein wesentlicher Bestandteil bei Heilungszeremonien. In allen Kulturen der Welt ist der Mensch in seinen Ritualen als ein singendes, tanzendes Wesen in Erscheinung getreten, um die eigene Balance zu finden, sich mit anderen zu verbinden oder eben gesund zu werden. Beim modernen Menschen ist das nicht anders.

 

 

Geht es darum, mehr oder weniger präzise unseren Gedanken, Gefühlen und Befindlichkeiten Ausdruck zu verleihen, ist unser stärkstes Ausdrucksmittel die Stimme. Was aber den Gesang vom Sprechen unterscheidet, sind die länger klingenden Vokale, die in ihren verschiedenen Klangfarben und Intensitäten Gefühle nach außen bringen, die zwar vorhanden, uns aber gar nicht bewusst sind. Manchmal kommt dann eben auch einmal ein Vokal aggressiver nach draußen als beabsichtigt. Das kann eine sehr entlastende, befreiende Wirkung haben.

"Beim Singen schwingt vieles aus dem Alltag, was wir gar nicht bewusst als Belastung wahr genommen haben, wovon wir quasi 'nichts wissen' - seien es nun Probleme aus dem Arbeitsleben oder der Partnerschaft." Ist alles draußen, fühlt man sich befreit.

"Kulturell ist das bemerkenswerte Sache", so die Expertin. "Nicht jeder Konflikt muss oder kann verbal gelöst werden. Singen wird zum Ventil, es gleicht das vegetative Nervensystem aus und reduziert Stress." Ob wir den guten Ton unter der Dusche, im Auto, beim Hausputz oder im Chor anschlagen, ist für diese Art Psycho-Hygiene egal. Wobei das Gemeinschaftserlebnis nicht zu unterschätzen ist. "Singt man im Chor, beteilige ich mich, das Stück wird gemeinsam erarbeitet und zur Perfektion gebracht." Das schafft Bindung und Nähe. Auch ein Kanon zeigt soziale Nebenwirkungen: Man lernt bei seiner eigenen Stimme zu bleiben, aber man muss trotzdem auf den Partner hören", so Berka-Schmid. Singen löst Zufriedenheit aus und bindet Menschen - man muss nur den Mund aufmachen

  • Gesang bringt die Gehirnaktivitäten ordentlich in Schwung. Da die Funktionen für Rhythmus, Melodie und Sprache auf die verschiedenste Areale aufgeteilt sind, stehen die Nervenzellen unter Strom. Areale, die für Angst und Stress zuständig sind, werden deaktiviert.
  • Wenn man singt, stellt sich die gute Laune von allein ein. Der Körper sorgt hier für einen guten Ausgangspunkt: Er stellt einen Glückscocktail aus antidepressiven Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin, Beta-Endorphin und Oxytocin bereit. Oxytocin wird zum Beispiel ausgeschüttet, wenn wir uns jemandem nahe fühlen - etwa Verliebte oder Mutter und Kind.
  • Durch das Singen verändert sich die Atmung, da Töne gehalten werden müssen. Davon profitiert der gesamte Kreislauf, die Sauerstoffsättigung im Blut nimmt zu, das Herz wird gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit erhöht. Interessanterweise beeinflusst die tiefe Atmung auch die Darmaktivität positiv: Der Wechsel von Sog und Druck wirkt wie eine interne Massage. Um einen guten Klang produzieren zu können, muss außerdem eine gute Haltung einnehmen. Der Rücken, die Muskulatur und der Beckenboden werden gestärkt.
  • Beim gemeinsamen Singen findet man einen gleichen Rhythmus. Menschen, die im Chor singen, pendeln sich bei der gleichen Atem- und Herzschlagfrequenz ein - einer der vielen Bausteine, die für das starke Gemeinschaftsgefühl sorgen, wenn zusammen musiziert wird.

Beitrag im Freizeit-Kurier / 16.11.2013